Sturmgedanken

Sturmwolken

Es herrschte diese Art von Wetter, bei der man das Haus nicht verließ. Und wer das Haus doch verließ, hatte zwei Möglichkeiten das zu tun.
Erstens: Zusammengekauert, gebeugt, sich so klein wie möglich machend. So wenig Angriffsfläche wie möglich bietend.
Zweitens: Aufrecht, erhobenen Hauptes, angriffslustig, die Schultern gestrafft, der Außenwelt die Stirn bietend. Mit dem ganzen Körper rufend: Hier bin ich.

Heute entschied sie sich für die zweite Möglichkeit. Gestern schon hatte sie siebzehn Stunden auf dem Sofa verbracht, unter ihrer Decke (‚Gudrun‘ sagte das Etikett) versteckt. Die restlichen sieben Stunden war sie im Bett gelegen. Vergeblich auf den Schlaf wartend.
Das war genug. Nun war es Zeit zu kämpfen.
Wenn sie schon den Kampf gegen das Vermissen verlor, dann wenigstens nicht den Kampf gegen das Wetter.

Die Haustüre wurde ihr beinahe aus den Händen gerissen, so stark war der Wind. Er zerrte an ihrem Mantel, an ihren Haaren, selbst an ihren Fingern. Also ballte sie die Hände zu Fäusten. Kniff den Mund zusammen und die Augen. Und schritt los.

Als man sie beinahe zwei Tage später in einem Stück Wald fand, zusammengekauert unter einem Baum Schutz suchend, wurde sie gefragt, wohin sie denn eigentlich wollte.
Und die einzige ehrliche Antwort, die sie geben konnte war: „Weg.“

4 Gedanken zu “Sturmgedanken

  1. Das klingt nach einer ordentlichen Mischung aus Verzweiflung, Leichtsinn und Mut und ist mir irgendwie sympathisch.

    Mit meinem Bruder habe ich mal bei Orkanwarnung und schüttendem Regen spontan eine „Radtour“ gemacht und es war so ein gutes Gefühl, sich gegen die Naturgewalten zu stellen!

    Geht es dir gut? Deine Beitrage machen einen sehr düsteren Eindruck.

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    1. Liebe Insa, danke für den Kommentar! Das klingt nach einem verrückten Abenteuer, leichtsinnig und einmalig. Ich hoffe euch ist nichts passiert? Die Erwachsene in mir sagt „Da hätte viel passieren können!“. Die Erwachsene in mir wird meistens ignoriert 😉
      Mir geht es gut, mal sehr gut, mal relativ gut. Ich denke, das ist das normale Leben… Geht es dir denn gut?

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      1. Genau das mussten wir uns dann auch anhören. Die zwei umgekippten Bäume, denen wir begegnet sind, sind aber glücklicherweise nicht auf uns gelandet 😀 Nicht immer darf man zu vernünftig sein 😉

        Da bin ich froh, das zu hören!
        Bei mir geht es bergauf und das ist erstmal das Entscheidende.

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